Das Türkenfieber und die Islamisierung des Morgenlandes

Vorab, „Türkenfieber“ ist nicht die Bezeichnung für eine Krankheit. Es ist ein von Carl Heinrich Becker, einem deutschen Orientalisten, geprägter Begriff für die Begeisterung der Deutschen für das Osmanische Reich zu Beginn des Ersten Weltkriegs.

Um die Position der Briten im Krieg zu schwächen, versuchte Kaiser Wilhelm II., den Islamismus im Osmanischen Reich zu stärken und rief zum Dschihad auf.

Bald nach Kriegsbeginn wandte sich Wilhelm II. an Enver Pascha, den Kriegsminister in Konstantinopel, mit der Bitte, er solle „zum heiligen Kampf für das Kalifat“ mobilisieren.1

Auf der anderen Seite wurden diese Äußerungen offenbar sehr ernst genommen. Man sah im Deutschen Kaiser sogar einen Glaubensbruder.

Der Glaube an die Islamisierung des Kaisers ging so weit, dass sich im Osmanischen Reich das Gerücht festsetzte, Wilhelm II. sei konvertiert, habe sich in Hadschi Mohammed Wilhelm umbenannt und damit im Deutschen Reich Massenkonversionen zum Islam bewirkt.2

Ab 1915 gab es sogar eine deutsche Propagandazeitung namens „El Dschihad – Zeitung für die muhammedanischen Kriegsgefangenen“, die innerhalb der Gefangenenlager bei Zossen und Wünsdorf in Brandenburg verteilt wurde.

Vor diesem Hintergrund wirken heutige Demonstrationen, auf denen die schwarz-weiß-roten Fahnen des Deutschen Kaiserreichs geschwungen werden und Angst vor einer angeblichen Islamisierung des Abendlandes geschürt werden soll, noch weiter von der Realität entfernt. Ob die Menschen, die damit eine historische Verbindung zwischen dem Kaiserreich und sich selbst herstellen, das auch wissen …?


  1. Bausch et al., Deutschland und Afghanistan, De Gruyter Oldenbourg, 2018. Gegen Porto verfügbar über die Hessische Landeszentrale für politische Bildung ↩︎

  2. siehe 1 ↩︎


Zuletzt bearbeitet am 19.02.2022